Donnerstag, 22. Dezember 2016

Erwin

1

Er war der zweite von den Gästen. Der Heinz sprach schon mit einem unbekannten Kollegen.
“Hallo Herr Sellger”, grüßte Erwin, obwohl sie sich seit Urzeiten kannten. Der Anlass war schließlich beruflich.
“Hallo Erwin, das ist der junge Herr von Lovetzski, Herr von Lovetzski, das ist der Herr Meierfelder.”, vergaß Heinz alle Förmlichkeiten.
“Erwin”, er streckte seine Hand aus. Der unbekannte Kollege griff sie und antwortete mit “Thomas”. Ingenieure waren immer per ‘Du’, so gehörte sich das einfach. Nur die Ingenieure, die auf Seiten des Kunden befördert wurden, die Aufträge vergaben und die Teams zusammen stellten, waren irgendwann eher per ‘Sie’.
An dem Abend wurde der erfolgreiche Abschluss des Projekts gefeiert. Es kam noch weitere Kollegen hinzu. Die Gesellschaft traf sich in einem Gourmetlokal auf der schweizer Seite. Heinz war ein Spezialist in der Auswahl solcher Lokale.
Nach dem Aperitif, sollten die Speisen bestellt werden. Der Herr von Lovetzski schaute auf die Uhr und sagte: “Also, ich kann dann nur eine Vorspeise nehmen. Ich muss ja dann noch den Zug bekommen.”
Heinz protestierte: “Aber, aber. Das geht doch gar nicht. Sie müssen hier das Felchenfilet in Mandelbutter probieren. Und dann erst der Nachtisch. Der Erwin, nicht wahr?”, drehte er sich zu Erwin um: “Du fährst ihn doch gerne.”
Erwin nickte.
“Sehen Sie, der Herr Meierfelder, der Erwin, der kann Sie fahren. Sie bleiben nun hier. Oder haben Sie etwas vor?”
“Echt, würdest Du das machen?”, fragte von Lovetzski.
“Ja, klar. Ich trinke ja nicht und vor Mitternacht schlafe ich sowieso nicht. Da kann ich Dich auch fahren. Ist überhaupt kein Problem”, sagte er zu.

Samstag, 29. Oktober 2016

Geschnitten

Mit ihr hatte er gar nicht gerechnet. Diese Frau war das, wie immer, unerwartete Sahnestückchen, das der Tüchtige verdient hat.
Er setzte sich aufrecht hin, als sie fragte: "Ist hier noch frei".
"Aber sicher doch!", antwortete er ohne in irgendeiner Weise zu Lächeln oder sonstiges Interesse zu zeigen.
Die Müdigkeit des frühen Aufstehens war verflogen. Sollten die Fahrten mit dem Frühzug, die die nächsten sechs Wochen zu bewältigen waren, doch interessanter werden als gedacht?
Mit einem schlichten "Danke" nahm sie Platz. Ein freundliches Lächeln hätte sie sowieso nicht erwidert. Richtige Frauen reagieren da sowieso nicht drauf. Ein kurzer Blick kam trotzdem, dann widmete sie sich den Unterlagen, die sie aus ihrer Tasche holte.
Der Blick sagte ihm, dass ein klein wenig Interesse vorhanden sein könnte. In seiner Ecke machte er sich ein klein wenig breiter. Den rechten Arm lehnte er an das Fensterbrett, die Beine breitete er aus. Ein Mann muss als solcher zunächst Gelände sichern, das war schon im Neanderthal so. Er überlegte, wie er einen ersten Punkt setzen könnte. Etwas, an das er gegebenenfalls am nächsten Morgen anknüpfen konnte.
Als er sah, welche Unterlagen sie las, stutzte er ein wenig, dann grinste er wieder.

Sonntag, 23. Oktober 2016

Unpassend

"Stell Dich einfach zu einem Grüppchen dazu und mach halt den Zuhörer, der dazu gehört. Hör zu, lach mit und immer gut drauf sein."
"Du spinnst"
"Nein, glaub mir. Das funktioniert schon. Die kennen sich untereinander doch gar nicht. Jedenfalls nicht so richtig. Jeder kann wichtig sein. Keiner traut sich nachzufragen, wer denn der andere ist. Es könnte ja ein Wichtiger sein, den man einfach kennen muss. Und, wenn man den nicht kennt, gehört man ja vielleicht selber nicht so richtig dazu."
"Wie?"
"Menschen sind doch immer so Gruppenwesen. Man gewöhnt sich an die Leute, die um einen drumherum stehen. Die waren schon immer da, also gehören die dazu. Die haben mitgelacht, also sind die derselben Meinung. Das sind alles Besucher, die sich für Kunst interessieren, die zeigen wollen, welche noblen Wesen sie sind. Ich bin auch nobel und hier und gehöre offensichtlich nicht zum Personal. Also kann ich doch einfach dazu gehören. Auf einer Vernissage habe ich das schon einmal gemacht und es hat funktioniert. Und? Wer weiß, vielleicht läuft ja noch etwas", die rechte Hand des Kollegen griff in die Luft und schien etwas in seine Tasche zu stecken.
"Was soll da schon ..."
"Sekt bestimmt, gutes Essen und wer weiß ein Tipp, wie Geld verdient wird. Die Weiber in diesen Schichten sind auch manchmal so richtig geil und suchen richtige Männer. Wir sind doch richtige Männer! Und wir verlegen die besten Rohre", der Kollege lachte und ging zum Eingang.

Freitag, 14. Oktober 2016

Die Verabredung

"CU@U?" schrieb er mit flinken Fingern, grinste und wartete. Seine rechte Hand klopfte auf seinen Oberschenkel.
Eine Antwort kam nicht sofort. Bestimmt musste Jupp das Ding wieder suchen. Er schaute sich ein paar Bilder an. Was da wieder für ein Blödsinn gepostet wurde. Nach ein paar Minuten schrieb er noch einmal "?".
Er spielte ein wenig 2048, dann summte es und es kam eine unerwartete Antwort. Es war ein Smiley mit Verband. Wo hatte Jupp das nur her? Dann klingelte das Smartphone.
"Jou"
"Bin im Bett"
"Dann steh halt auf, ich muss bei Dir spielen. Meine Schwester hat den Compi geschrottet und wenn ich nichts mache, ist das mit dem Plan vorbei. Da haben wir doch soviel hineingesteckt. Und dann kannst Du Dir den Zaubertrank auch abschminken. Deswegen komm ich mal ..."
"Bin nicht da."
"Wie? Wo?"
"Bin Krankenhaus. Bein und Arm kaputt. Die doofe Tucke hat ihre Sachen auf der Treppe gelassen. Ich bin da voll rüber und krach bunn nach unten ..."
"Scheiße! Was soll ich nun machen?"
"Puh"
"Ist bei Euch jemand da? Ich kann ja dann auch alleine. Wenn.."
"Ja, hast Recht. Ich melde Dich mal an. Und dann geh halt vorbei. Und viel Glück."

Freitag, 23. September 2016

Schmerzlos

"Also ich könnte das ja nicht aushalten, so immer leiden. Bei mir wäre da ja nun Schluss. So richtig Schluss. Kurz und schmerzlos. Zack. So wie beim Wachsen. Ratsch, Au und dann ist gut" kommentiere Tanja die Leiden von Eleni.
"Du hast gut reden. Der Werner ist so ein Lieber, den kann ich doch einfach nicht verlassen. Und er hat ja auch Recht. Wenn ich mich nebenher vergnüge, dann darf er das auch. Stell Dir vor, der schämt sich nun richtig, dass er da eine Bumsgöttin aufgetan hat."
"Das ist doch nur ein Spiel von dem. Der will Dich ..."
"Gar nicht. So denkt der doch nicht. Der kommt von ihr und ist einfach nur glücklich geschafft. Und dann gibt er gibt sich noch alle Mühe und tut so, als wenn er scharf auf mich wäre. Und ich sehe ihm das doch an, dass er nur ausruhen will. Ich tu dann so als hätte ich keine Lust."
"Du musst doch mal anfangen, in erster Linie an Dich selbst zu denken. Forder ihn doch noch einmal. Dann wird er sich schon entscheiden. Es gibt immer eine Möglichkeit das Leben einfach zu gestalten. Bei uns ist das so, dass wir unsere Nebensachen verheimlichen. Zwar hat jeder die Möglichkeit, aber es wird einfach nur vertraut und nicht nachgefragt. Wenn es anders wäre, würde ich kurz und schmerzlos Schluss machen. So mit den großen Gefühlen, wie bei Euch, ist das bei uns gar nicht. Bei uns hat einen Rhythmus, der einfach eingehalten wird. Jeder hat seine Abende. Was da läuft oder laufen könnte, da reden wir nicht drüber. Und das ist gut so."
Tanja nickte dazu, ballte ihre Faust und klopfte damit leicht auf den Tisch.
"Da können wir nun nicht zurück." stimmte Eleni ihr zu. "Wir hatten das damals so ausgemacht. Sich gegenseitig immer zuhören, beichten und verzeihen. Er hat mir immer verziehen. Es hatte ihn eher angemacht. Und als er dann anfing auch ... " Eleni kniff ihre Lippen zusammen und öffnete ihre Rehaugen. "Hat er mir das nur vorgespielt? Oder bin ich so schlimm, das ich eifersüchtig bin?"
"Du bist doch die, zu der er zurückkehrt. Oder etwa nicht?"
"Das hat am Anfang auch funktioniert. Mein Werner kann die und die haben, aber er wird mich nie ... und nun ist da diese Bumsgöttin. Sie ist eine fette Bauchtänzerin. Das ist nicht so eine ..." Eleni unterdrückte ein Schluchzen.
Tanja nahm sie in den Arm. "Ach, das schaffen wir schon. Hauptsache wir Mädels halten zusammen."

Sonntag, 18. September 2016

Heimat

Langsam packte sie ihr Köfferchen. Sie war, wie immer, wenn etwas Wichtiges anstand, viel zu früh. Zunächst machte sie den Kulturbeutel fertig. Sie füllte ihn mit allem, was die Toilette hergab, dann entfernte sie die Haarpflegeartikel und die Seifen und Deos wieder. Es war nur noch die Zahnbürste, -seide und -pasta drinnen. Der Kulturbeutel wanderte neben den Koffer. Er sollte ja als erster entnommen werden können. Warum hatte sie überhaupt damit angefangen? Ihre Lippen pressten sich zusammen und zwischen ihren Augenbrauen war wieder diese Falte. Sie füllte das Köfferchen mit Nacht- und Unterwäsche. Dazu legte sie eine Jeans und zum Schluss den Kulturbeutel. Sie konnte das Köfferchen tragen. Das war gut. Auf dem Weg müsste sie den Rathausplatz überqueren und bei den Pflastersteinen würden die Rollen des Köfferchens nicht mitmachen.
An der Wohnungstür blieb sie dann doch stehen. Ihr Einkaufsroller stand in der Ecke. Diesen konnte sie über die Pflastersteine ziehen. Bot er genug Platz für ihre Sachen? Schnell räumte sie um und es passte alles herein, nur der dünne Kulturbeutel blieb übrig. Für diesen hatte sie ja noch ihre geräumige Handtasche. Das war auch für den Rückweg besser. Erleichtert ging sie zur Wohnungstür.
An der Garderobe galt es eine Jacke auszuwählen. Zwar das Wetter an diesem Tag im September noch recht warm, aber wie würde es in ein paar Wochen sein. Ihr Anorak war für solch ein Übergangswetter gedacht. Der könnte aber verloren gehen. Im Schrank hatte sie noch eine alte Trainingsjacke. Ob die noch passen würde?
Wenig später war sie in die gelbe Oberjacke eine altertümlichen Trainingsanzugs vor dem Spiegel. Der Reißverschluss ließ sich ganz nach oben ziehen. Sie hatte gar nicht groß zugenommen. Oder war der damals einfach zu groß gewesen?

Freitag, 9. September 2016

Perfekt

Er prüfte seine Krawatte im Spiegel. Ihre blassrote Farbe betonte die kühle Bläue des Hemds. An dem Tag war der unangemeldete Besuch bei einem eventuellen Kunden angesagt. Ging sein verdammter Blutdruck wieder hoch? Kurz schüttelte er den Kopf. Dann trat er vom Spiegel zurück. Jedes Detail musste stimmen. Es galt ja immer noch, dass der erste Eindruck des Verkäufers zählt, oder etwa nicht? Wieder schaute er im Spiegel sein rotes Gesicht an. So ging das gar nicht! Gerade bei der Kaltakquise galt es Optimismus, Sicherheit und Kompetenz auszustrahlen und nicht wie ein schüchterner Schuljunge zu erscheinen. Das rote Gesicht galt es zu verstecken!
Es wäre doch gelacht, wenn ihm dazu nichts einfiele. Nur, was?
Ihm fiel das ganz rote Hemd von der Sozifeier ein. Schnell schlüpfte er aus dem blassen Blau und in das kräftige Rot. Als er sah, wie gut die Farbe der Krawatte dazu passte, grinste er. Bei dem Wetter konnte er ganz ohne Anzug gehen. Er beschloss einfach unten in blauen Jeans und oben im roten Hemd zu gehen. So konnte er als ein Ingenieur gehen, der eben mit Sachkenntnis berät.
Lachend betrachtete er seinen mutigen Aufzug im Spiegel und machte sich auf den Weg.

Freitag, 2. September 2016

Für immer

Es gab auch eine Vorführung, die Verena interessierte. Sie wusste nicht genau, warum sie auf dieser Geburtstagsfeier war. Ein wilder, halb nackter Mann jonglierte mit Kegeln zu Ehren des Jubilars. Seine unbehaarte Brust hielt er ganz ruhig. Nur seine Arme wirbelten die Kegel durch die Luft. Breitbeinig stand er mit gebeugten Knien und erzählte mit ruhiger, tiefer Stimme Anekdoten aus dem Leben des Befeierten. Von dem Gelächter der Gäste ließ er sich in seiner Konzentration nicht stören.
Verena nippte an ihrem Prosecco und genoss den Anblick dieses Prachtexemplars männlicher Körperlichkeit und schloss sich gelegentlich dem Gelächter an. Als später die Tafel aufgehoben wurde und es hieß sich irgendwie die Zeit bis zur Heimfahrt zu vertreiben, entdeckte Verena diesen, mittlerweile mit einem langen, weißen Baumwollhemd bekleideten, Mann an einem Stehtisch. Er war umringt von einigen Bewunderinnen. Der Abend versprach unterhaltsam zu werden. Sie ging dazu.

Freitag, 26. August 2016

Schokolade

War das nun ein Fake oder nicht? Kurz überlegte Gina, dann wischte sie den blonden Hünen nach rechts. Zumindest einem von den Stechern wollte sie schon eine Chance geben.
Sie legte ihr Smartphone auf den Tisch, lehnte sich zurück und schaute auf den Bahnhofsvorplatz. Es war nichts los. Eine kleine Gruppe Penner lagerte auf den Bänken zur Linken. Gegenüber kamen gerade ein paar Punks an. Der Cappuccino schmeckte wie immer gut. Ihr Smartphone summte. Der Hüne hatte ihr Profil auch nach rechts gewischt.
"Hallo Schokoladenfreundin. Wann? Wo? Freu mich schon auf deinen Arsch!" las sie. Vom Arsch hatte sie nichts in ihrem Profil vermerkt.
"Arsch?" schrieb sie.
"Schokolade ist doch a n a l?" las sie.
Nur kurz wunderte sie sich. Dann bracht sie die Unterhaltung ab. Das mit der Schokolade sollte andeuten, dass sie 'danach' noch gerne mit ihm, der 'es' ihr besorgt hatte, auf dem Sofa sitzen und fernsehen wollte. Es ging nicht um das Kuscheln, obwohl das schön wäre, sondern nur einfach noch Zeit verbringen und Schokolade essen. Ein Übergewicht sollte auch erwartet werden können, obwohl ihr Bauch gar nicht so viel war, war es doch besser dies auch anzudeuten.
Ihr Profil sollte überarbeitet werden!
Bevor sie sich dieser Arbeit widmen konnte, sah sie den Bus kommen. Das war das Zeichen, das die Zeit gekommen war, sich auf den Weg ins Büro zu machen. Sie bestellte die Rechnung und wusste noch nicht, dass die nächsten Minuten den Auftakt bildeten, zu einer anderen Einstellung zur Zeit als solcher zu kommen.

Freitag, 19. August 2016

Auf die Schnelle

Der Guglhupf war gelungen! Zufrieden strahlte Elli das Ergebnis ihrer Backanstrengung an. Wie von ihrer Mutter gelernt, hatte sie die gesamte Form, gerade auch die Ecken, mit Butter eingeschmiert. Er kam vollständig aus der Form. Geschwind verteilte sie noch den Puderzucker darüber und verstaute ihre Überraschung in ihrer schwarzen Einkaufshandtasche. Probeweise hob sie diese vorsichtig hoch. Vom Gewicht her ging das! Das würde so heil ankommen. Es galt mit öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch die Stadt zu fahren, mit dem Fahrrad würde der Guglhupf nie ankommen. Jedenfalls nicht in einer ansehnlichen Form. In der anderen Hand könnte sie noch die Sonnenblumen halten, wenn sie die Kuriertasche nehmen würde. Diese hatte sie von ihrem Vater geerbt. Sie wurde schräg getragen, den Riemen über die rechte Schulter und die Tasche dann an der linken Hüfte. Sie probierte das aus. Mit der rechten Hand die Tasche mit dem Guglhupf und in der linken die Sonnenblumen. So würde das gehen. Sie könnte immer die schwere Tasche vorsichtig absetzen, wenn es galt eine Bus- oder Bahntüre zu öffnen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihr, dass sie mal wieder zu früh war. Detlev hatte gesagt, vor 14:00 wären sie bestimmt nicht ansprechbar. Er hatte in der Mehrzahl geredet! Ihr Sohn würde nicht alleine sein und sie dürfte seinen Liebling kennen lernen.

Samstag, 13. August 2016

Drei Freundinnen

"Hallo Wallace, schaust Du morgen bei uns vorbei? Wir machen da eine kleine Feier."
"Hallo Markus, wie geht es Dir denn so? Alles in Ordnung?" grinste es der runde, große Mann und hielt ihm die Hand hin.
"Danke, geht so. Muss ja. Und selber?" er griff zu und spürte den warmen, nicht zu kräftigen Händedruck, des immer freundlichen Kollegen aus Schottland.
"Danke der Nachfrage. Das Wetter soll ja morgen richtig sonnig werden. Obwohl es ja am Abend noch einen Schauer geben könnte. Aber dann kann man sich ja in das Wohnzimmer zurück ziehen. Für mich ist das hier ja fast so ein schöner Sommer, wie bei uns daheim. Obwohl es hier ja schon um acht Uhr dämmrig wird."
"Also wegen der Feier morgen nachmittag, so gegen 16 Uhr, kommst Du nun?"
"Aber sicher doch. Was ist der Anlass? Soll es etwas feierliches sein? Ich könnte mit Rock kommen?"
"Ganz informell mal nach dem Einzug in die neue Nachbarschaft, so zum Kennenlernen mit Nachbarn, Kindergartenfreundinnen und Kollegen."
"Also mit Kilt wäre das schon repräsentabel. Immerhin bin ich ja dann so etwas wie ein Vertreter eines fernen Landes. Soll ich einen Wanderer oder lieber ein, wie heißt das? Huhn mitnehmen?"
"Äh?"
"Walker, Johnnie? Famous Grouse?"
"Ach, das mit dem Rebhuhn. Der war doch auch bei deinem Einstand dabei."
"Ok, dann bis morgen. Ich bring auch Leslie mit. Ist doch ok?"
"Aber sicher doch. Wir freuen uns auf Euch!"

Samstag, 6. August 2016

Das Porträt

"Was haben Sie denn da?"
"Das wird die Mütze für den kleinen Moritz. Alle Mütter in meiner Familie stricken ein Mützchen für ihr erstes Kind. Und genau so sollen Sie das auch darstellen. Ich, schwanger, fürsorglich strickend." sagte Frau Weissenberger.
"Ah, ja. Nun denn. Aber schauen Sie doch bitte mehr nach oben und nicht so angestrengt. Also so geht das ja eigentlich nicht." Micki legte den Skizzenblock weg.
Die schwangere Frau hörte auf zu stricken. "Soll ich stillhalten?" Durch die zwei Nadeln vor dem Gesicht schaute sie ihn an.
"Nein, nein. Stricken Sie nur einfach weiter. Ich schaue mir das in aller Ruhe an, bis ich so ein Gefühl für die richtige Pose bekomme. Dann melde ich mich schon. Und dann fangen wir das ein. Machen Sie nur einfach weiter".
Die Frau strickte wieder.
Der Maler zündete sich eine Zigarette an.
"Also ich bin schwanger, da werden Sie doch nicht?"
"Die Halle ist doch groß genug." Er stand auf und entfernte sich ein paar Schritte. Den Qualm blies er in Richtung Fenster. "Sehen Sie das weht sofort heraus. Sie sind da nicht der erste Kunde mit Raucherproblemen. Ich muss nur nachdenken, in welcher Pose ich Sie abbilde. Dabei brauche ich unterschiedliche Winkel. Wir hatten ja ausgemacht, das sie mit einem Buch oder Fächer abgebildet werden. Mit Stricknadel muss das doch natürlich unterbrochen wirken. Oder soll ich Sie so konzentriert malen. Aber das sind Sie doch gar nicht."
"Ok" Die Frau schüttelte zwar den Kopf, aber dann strickte sie weiter. Nach ein paar Zügen befahl er: "Still! Nicht bewegen. Genau so bleiben Sie bitte!"
Der Maler drückte die Zigarette aus und sprang wieder an seinen Platz. "So sehen Sie perfekt aus. Das ist genau die Pose, die zu Ihnen passt."
Nach einer Stunde hatte er genügend Skizzen beisammen und seine Kundin ließ ihn alleine in der alten Halle.

Freitag, 29. Juli 2016

Die Neue

Sollte sie es sein? Demütig schaute sie auf dem Weg zu seinem Schreibtisch nach unten. Ihre blonden Haare hielt ein schmaler Haarreif aus pinkem Plastik. Dieses Pink wiederholte sich in ihrem Blazer und vor allem in ihren Pumps. Er fragte sich, ob ihre Zeigezehen, also die unmittelbaren Nachbarn der grossen Zehen, länger wären. Schnell schaute er wieder nach oben. Ihre schmalen Hände griffen die Lehne des Besucherstuhls, aber sie wartete.
"Nehmen Sie nur Platz. Sie sind die Frau Dr. Kovacs?"
"Genau"
Als sie sich setzte, gab ihr geöffneter Blazer den Blick auf ihre, von einer weissen Bluse bedeckten, Brust frei. Kurz konnte er die Bügel eines BHs erkennen.
Während ihr süßes Stimmchen die üblichen Fragen beantwortet, rätselte er zunächst über die Form und, vor allem, der Anordnung ihrer Brüste. Würden sie ohne die starken Bügel herunterhängen? Waren sie durch einen kleinen, aber deutlichen Zwischenraum von einander getrennt?
Einen Augenkontakt konnte sie nicht lange stand halten. Schnell senkte senkte sie ihre Augen und schaute auf ihre zierlichen Hände. Er folgte ihrem Blick und bemerkte keinen einzigen Ring. Lächelnd wandten sich seine Augen ihrem hoch geschlossenen Ausschnitt zu. Sollte er wirklich einfach mal fragen?
"Wir sind hier nicht so zugeknöpft, wie Sie vielleicht denken, Frau ... äh ... Kovacs" entfuhr ihm.
"Ach so, ja" und ihre Hände machten sich sofort an den oberen Knöpfen zu schaffen.
Er lehnte sich zurück und ihre Blicke trafen sich. Diesmal schauten sie sich länger in die Augen. Als sie ihre Bluse auseinander klappte, öffnete sich die Tür.
Eine dunkles Gesicht mit einer blauen Baseballmütze schaute hinein.
"Oh, Entschuldigung. Ich dachte .."
"Sie sehen doch! Und warum ..." da war die Tür schon wieder geschlossen.
"Unsere Zeit ist wohl um. Vielen Dank für Ihre Mühe und wir melden uns dann." Er stand mit seinem Besuch auf, schüttelte ihre Hand und sah ihr hinterher bis sie die Tür aufmachte. Als sie sich bei geöffneter Tür kurz umblickte, nickte er ihr erfreut zu.
"Schicken Sie den Nächsten schon herein" forderte er sie auf.

Freitag, 8. Juli 2016

Der Onkel


"Sie sind der Herr Stossel? Ihre Frau oder Gefährtin oder wie auch immer das heutzutage genannt wird, ist schon im Kreißsaal. Kommen Sie mal mit" meinte die Krankenschwester auf der Frauenstation. Aufgeregt folgte er.
"Zum Glück ist es ja nicht die erste Schwangerschaft, sonst könnten Sie das vermutlich gar nicht mit erleben."
"Bitte?"
"Über vierzig wird fasst immer Kaiserschnitt gemacht. Die Beckenknochen, Sie verstehen."
"Äh, ... hoffentlich wird mir nicht schlecht. Ich war noch nie dabei."
"Kennen wir, macht nichts. Hier ziehen sie den Kittel an, Hände waschen und dann hinein."
Wenig später war er neben ihr.
"Du bist ja tatsächlich noch rechtzeitig gekommen." war ihre gestöhnte Begrüßung. Sie griff seine Hand und ließ sie auch nicht mehr los.
"Und nun kommt es gleich" meinte die Ärztin. Die Befehle "Hecheln" und "Pressen" kamen im Wechsel. Sybille tat wie ihr geheißen. Dazu stöhnte und schwitzte sie. Er bewunderte den Wechsel in ihrem Gesichtsausdruck. Da war nichts reserviertes, kontrolliertes mehr. Das hier war richtiger Kampf. Er war froh, dass er nicht mit ansehen musste, wie da am anderen Ende etwas herausgepresst wurde. So wurde ihm auch nicht schlecht.
Die ganze Sybille schrie, unten wurde etwas geborgen. Es krähte ganz leise, dann wurde es in Tüchern von einer Schwester in den Nebenraum getragen.
"Gehen Sie nur mit, das machen alle Väter."
Im Nebenraum, nur durch einen Vorhang vom Kreißsaal getrennt, legte die Schwester den kleinen in eine Wanne.
"Ist er nicht süss? Und alles dran, sehen Sie mal" die Schwester deutete auf den winzig kleinen Schniepel. Er schaute mehr in das Gesicht des Kleinen. War er wirklich der Vater?

Freitag, 1. Juli 2016

Nutzwert

"Hallo" sagte er, als er sein Tablett neben ihres platzierte. Sie nickte ihm kurz zu und die Ecken ihres Mundes zogen sich ein klein wenig auseinander. Er nahm das Zeichen erfreut als einen kleinen Erfolg wahr.
Es war ja nicht so, dass er unbedingt etwas erobern musste. Seinen Wert auf dem Flirtmarkt wollte er mit seinen morgendlichen Ausflügen aus der Kanzlei feststellen. Um diese Zeit waren die Tische der Cafés in der Fußgängerzone meistens von Rentnern besetzt, so dass an den Stehtresen informell und zufällig mehr oder weniger hübsche Frauen angesprochen werden konnten ohne dass es direkt aufdringlich wäre.
"Haben wir uns nicht schon mal gesehen?"
Sie schaute ihn kurz ins Gesicht und sprach "Nein, nicht das ich wüsste".
Die ersten Worte waren gewechselt. Es galt zu schmeicheln und zu imponieren.
"Ich weiß jetzt womit ich sie verwechsle" fiel ihm ein. "Sie sehen der ersten Frau von Boris Becker ähnlich." Zwei kleine Grübchen erschienen auf ihren makellosen Wangen!
"Wie hieß die denn noch gleich?" Es galt eine Unterhaltung anzufangen und nicht schwallen!
"Boris Becker? Muss ich den kennen?" Die Grübchen waren immer noch zu sehen. Kurz hob sie ihre Augenbrauen.
"Eigentlich ein bekannter Tennisspieler. Eigentlich ...". Es galt ihr zu schmeicheln und nicht ihre Unkenntnis zu kritisieren.
"Im Fernsehen war die beiden mal angesagt. Sie war wohl Fotomodel. Und Sie haben den gleichen Teint und  Ihr Gesicht hat dieselbe Form. So afrikanisch, asiatisch oder auch segelgebräunt nordisch. Interessant und exotisch eben."
Sie zeigte ihre Zähne, gluckste kurz und entgegnete: "Sie machen das nicht zum ersten Mal?"
Seine rechte Hand führte er zu seiner Brust: "Ich habe das nicht absichtlich gemacht. Aber in der Nähe einer schönen Frau muss ich einfach ...".
Ein Stoß in seinen Rücken unterbrach ihn.

Freitag, 24. Juni 2016

Klassen

Mürrisch machte er sich auf den Weg zur Baustelle. In den neuen Arbeitshosen und den neuen Schutzschuhen ging er. Die Schuhe gefielen ihm. Wie leicht sie doch waren. Trotzdem waren die Zehen vorne geschützt. Jedenfalls prüfte er das mit der Hacke seines rechten Fußes, die er auf die Spitze des linken Schuhes drückte. Nichts! Unterwegs trat er gegen ein paar Straßenlampen, aber auch da war nichts. Sie waren einfach leicht, die neuen Arbeitsschuhe! Nach etwa der dritten Lampe besserte sich seine Stimmung. Vielleicht war es ja doch gut, wenn sich einer um die Arbeitskleidung und das alles kümmerte. In seinem Alter konnte er doch froh sein, etwas gefunden zu haben. Die schöne neue Arbeitshose würdigte er nicht. Diese war in Khaki gehalten, mit schwarzen Taschen an den Beinen. Ein ganzer Werkzeugkasten hatte darin Platz, aber das beachtete er gar nicht. Er fragte sich was das wohl für Jungs waren, mit denen er arbeiten würde. Es würde ihn wieder jünger machen unter jungen Männern zu sein! Da war er sicher.
Auf dem Weg zum Eingang des Bürogebäudes kam ihm ein junger Mann entgegen. Dieser war auf einem Klapproller unterwegs. Beim Pförtner hielt er an, bückte sich, klappte den Roller zusammen. Alles geschah in einer fließenden, fasst tänzerischen Bewegung. Als er das beobachtete, konnte er ein Lächeln nicht unterdrücken.

Freitag, 17. Juni 2016

Der Schatz

Die Schüler waren schon alle weg.
Der junge Mann mit den strohblonden Haaren hätte sich den Weg zum Bahnhof auch einfach schenken können. Um zehn nach acht stieg hier normalerweise keiner seiner Kunden mehr aus. Eher aus Gewohnheit wartete er noch die nächste Bahn ab. Der Waggon war spärlich besetzt. Trotzdem öffnete sich eine Tür und, ehe er sich versah, drückte ihm eine Gestalt eine Tasche in die Hand. "Prima, dass Du schon da bist. Bis nächste Woche dann." sagte sie, bevor sie wieder einstieg. Niemand sonst stieg aus.
Er stand alleine auf dem Bahnsteig mit einer blauen Strandtasche. Eine knallig gelbe Sonne mit dicken, ebenso gelben Sonnenstrahlen war auf jeder Seite. Etwas von einer Solarmesse stand darauf, aber das beachtete er gar nicht. Ein Paket war in dieser Tasche. Neugierig betrachtete er es. Kurz zuckte er mit den Schultern, dann ging er unschlüssig zum Ende des Bahnsteigs zur Rolltreppe. Bei dem Fahrstuhl blieb er kurz stehen. Er dachte angestrengt nach. Die Tasche war nicht für ihn. Der Eigentümer würde diese demnächst suchen. Noch einmal schaute er in die Tasche hinein. Es war nur ein Paket drinnen. Schnell schaute er sich um, dann nahm er das Paket unter dem Arm und stopfte die leere Tasche in den Papierkorb. Kaum hatte er den Bahnsteig verlassen, trat ein junger Mann mit ähnlichen blonden Haaren aus dem Fahrstuhl.

Freitag, 10. Juni 2016

Vögeln

Die haben gerade gevögelt! Das Mädchen musste lächeln, als sie sich gewahr wurde, dass die beiden vor ihren Füßen gevögelt haben Sie streckte ihm einfach das Hinterteil hin, er sprang auf, wackelte ein paar Mal, dann sprang er hinunter und wartete. Sie war mit dem gebotenen wohl nicht einverstanden und flog weg. Schade! dachte das Mädchen. Da hat der Meiserich so schön gesungen. Als die Meise landete, kam er von seinem Busch herunter und hatte sich von seinen besten Seiten gezeigt. Mehrfach flatterte er auf seine Auserwählte zu. Bis sie ihn schließlich einfach ließ. Er schaute ihr nach und flog wieder zu seinem Busch. Sein Gesang rief wieder nach einer willigen Frau für sein Nest. Das war das Programm der Natur für Meisen und andere Singvögel! Das Mädchen fragte sich nach dem natürlichen Programm für sie selbst. Warum konnte sie nicht einfach mit einem von den Jungs auf der Feier? Es standen doch genug zur Auswahl, aber nein, sie musste einen auf Jungfrau machen und vorzeitig nach Hause. Zu früh durfte sie da nicht auftauchen, immerhin war ja eine wilde Party bei Marina mit jungen Männern verabredet. Sie sollte auf keinen Fall die Kondome vergessen, hatte ihre Mutter sie ermahnt. Frühestens um acht konnte sie heimkehren. Sie schüttelte ihren Kopf. Was war sie nur für eine verrückte Nudel!
Da hörte sie ein Schleifen und ein leises Fluchen von rechts.

Freitag, 3. Juni 2016

Nichts

"Also ich nehme den gefüllten Oktopus" sagte Frau Niederle entschieden. "'En su tinta' nennen die den. Das war eine gute Idee hierhin zu gehen."
"Danke, danke. Aber die Auswahl ist hier ja auch nicht besonders schwer gefallen, wenn wir nicht gerade Pizza essen wollen. Aber Pizza?" Dr. Schatz war in seinem mondänen Element.
"Einen sardischen Vorspeisenteller haben die wohl hier auch. Und danach Dolci. Und als Wein nehmen wir Frascati. Und Aperitif?"
Sie nickte nur dazu. Er bestellte die gewählten Speisen in fließendem Italienisch, was vom Kellner ohne Rückfrage verstanden wurde.
Nach dem Aperitif und in der Mitte der Vorspeise sah sie die drei Mädchen. Sind die wohl ausgerissen? fuhr ihr durch den Kopf. Sie beschloss sich dem Essen zu widmen.
"Sind die toll, diese gegrillten Auberginenscheiben. Und die Sauce dazu. Sie verstehen wirklich zu dinieren." lobte sie ihr Gegenüber.
Dieser fiel auf die Ablenkung nicht hinein. Er drehte sich um und war sofort wieder Lehrer:
"Mist, die drei sind doch von unseren Schülern."
"Wir sehen die einfach nicht! Es ist unser freier Abend und Heberle passt doch auf. Bestimmt hat er ihnen das erlaubt. Und wenn nicht? In dem Alter müssen die doch einfach hinaus gehen. Haben wir doch früher auch gemacht, oder etwa nicht?"
"Sie meinen ..." Er schaute versonnen. Sie sah, wie sein sonst so ernstes Gesicht tatsächlich einen schelmischen, geradezu jugendlichen Ausdruck annahm.
"Ja, das waren Zeiten" sagte er.

Sonntag, 29. Mai 2016

Die Affäre

Er atmete ein und atmete aus. Seine auf dem Tisch übereinander gelegten Hände bewegten sich nicht. Dann zuckte es in seinem geröteten Gesicht. Die drei Falten auf der Stirn zogen sich zusammen und seine Augenbrauen gingen nach oben. Seine Mundwinkel machten eine unmerkliche Bewegung nach außen.
Er atmete dann hörbar aus und holte wieder tief Luft. Nach ein paar Atemzügen war er wieder ganz ruhig. Um seine Lippen war kein Lächeln, sonst hätte er als Buddha durchgehen können. In seinen Gedanken ging er das Vorhaben durch. Wieder zuckte es in seinem Gesicht. Wieder beruhigte er sich.
An seinem Revers war eine kleine rote Rose. Es galt eine Partnerin zu treffen. Bei diesem Gedanken schaute er auf seine Hände. Der Ring! Mit einem Lächeln zog er diesen ab und verstaute ihn in seine Geldbörse.
Er atmete ein und atmete aus. Ruhig wartete er auf seine Verabredung.
Tatsächlich trat wenig später eine wesentlich jüngere, aber nicht sonderlich modisch gekleidete Frau in das Kaffeehaus. Sie trug zu ihren Jeans eine recht weit aufgeknöpfte Bluse. Hatte sie vergessen die Knöpfe zu schließen oder wollte sie tief blicken lassen? Durch ihre Sonnenbrille mit zu großem D&G Zeichen musterte sie das anwesende Publikum.
Als sie ihn bemerkte, kam sie schlendernd an seinen Tisch.

Freitag, 20. Mai 2016

Das Loch

Wie ein kleiner Junge betrachtete er die Fotos. Mal hielt er sein Smartphone quer und mal hochkant. Die Frau zu seiner linken blickte immer mal wieder zu ihm und seinem Smartphone. Als seine Backen allmählich rot wurden, lächelte sie. Sie hätte nicht erwartet, dass er bei so etwas mitmachen würde.
"Wilfried, Du solltest aber kühler sein" ermahnte sie ihn.
"Äh. Ach, Frau Müller-Rehkirch. Sieht man mir das an?"
"Nun ja. Immerhin." Ihr machte es nichts aus, wieder beim 'Sie' zu sein. War auch besser so. "Sie wissen doch, dass ihre roten Backen schon so etwas wie ein Alarmzeichen sind."
"Heute ist ja auch ein besonderer Tag" seufzte der stämmige Mann, "da sind doch alle aufgeregt. Das fällt dann doch gar nicht auf."
"So gesehen" nickte sie zustimmend.
Die beiden widmeten sich wieder ihren Smartphones. Sie schaute dabei immer mal wieder zu ihrem Nachbarn, aber er wandte sein Blick nur ab, als sie bemerkte:
"Ich habe es sogar ein kleines Video, sieh, äh, sehen Sie mal" hielt sie ihm ihr Smartphone hin.
"Das ist ja nun wirklich deutlich. Hoffentlich kommt es nicht heraus. Obwohl?" verschmitzt lächelte er.
"Nein, bestimmt nicht. Wir müssen nur richtig entspannt sein. Sie dürfen sich nichts, aber auch gar nichts anmerken lassen."
"Und Sie dürfen ihm nichts erzählen."

Freitag, 13. Mai 2016

Der SX-2999

"Kommen Sie mal, Frau Heidenreich"
Sieh an, kurz vor Schluss der Nachtschicht passierte noch etwas erfreuliches. Aufgeregt stürmte sie in das Zimmer des Chirurgen. Sein Anliegen entsprach allerdings nicht ihren Erwartungen:
"Sie haben doch die Schulung bzgl. des SX-2999 mitgemacht? Nicht wahr?"
"Das war doch schon sechs Monaten und bisher ..."
"Egal, wir brauchen Sie jetzt. Sonst ist ja niemand geschult. Sie müssen nun assistieren, es geht um eine Notoperation. In etwa zehn Minuten wird der Hubschrauber ankommen, bis dahin muss die OP vorbereitet sein. Sie übernehmen den SX-2999."
Sie schluckte.
"Freuen Sie sich nicht? Jetzt kommen wir mal zusammen. Beruflich! Haben Sie da nicht drauf gewartet."
War es ein spöttisches oder freundliches Lächeln?
"Außerdem haben Sie so Gelegenheit ihr Wissen anzuwenden. Obwohl für weitere Pluspunkte in ihrer Personalakte bestimmt kein Platz mehr ist."
Die Schmeichelei gefiel ihr. Er war einfach nur freundlich! Sie nickte zustimmend.
"Sehen Sie! Wir sind bestimmt ein tolles Team"
Mit klopfendem Herzen folgte sie ihm. Unterwegs versuchte sie sich zu erinnern, was ihr Sabine über den SX-2999 erzählt hatte. Die Überwachung war genauso lässig wie beim SX-2100. Sie könnte ihm zusehen. Warum es wohl überhaupt einen 2999 gab?
Im OP-Saal stand das Gerät in der Ecke. Die Anzeige war gewohnt, nur die Meldung "Kalibrieren!" störte ein wenig. Vom 2100 wusste sie wie das ging und so machte sie sich an die Arbeit. Mit den Plus und Minusknöpfen galt es den Druck so einzustellen, dass die Anzeige zwischen den Zielwerten lag. Mit einem SX-2100 war das in ein paar Minuten erledigt. Danach wäre nur noch zu überwachen.
Diesmal dauerte es.
Das drängende "Können wir?" des Chirurgen trug nicht dazu bei die Kalibrierung zu beschleunigen. Der Patient lag in der Mitte, alle warteten auf ihr OK. Es waren nur Minuten, aber sie kamen ihr vor wie Stunden, bis sie das OK geben konnte. Sie sah dem Team zu. Zunächst plauderten sie entspannt, aber dann brach eine Hektik aus. Es kamen Bemerkungen wie "Was ist denn da nun los ...", "Au, da brauchen wir aber ..." und "Mist". Erschrocken kontrollierte sie die Anzeige und stellte sofort wieder den Druck ein. Ihr Blut pochte durch ihre Adern. Als sie dann "Puh" und "So gerade noch" hörte, schloss sie ihre Augenlider, atmete ein und sah dann nach oben.
"Danke" flüsterte sie.

Mittwoch, 4. Mai 2016

Wenn das rauskommt

Mit der Cola und der Zeitung kam Lisa wieder zurück. Annie küsste schon ihre Eroberung. Ausgezogen waren die beiden aber noch nicht. Es sollte ja schön langsam gehen mit der Nacht. Der junge Mann wollte anscheinend eine aktivere Rolle in dieser menage á trois einnehmen, aber Lisa schüttelte streng den Kopf und wies ihn mit der Hand ab.
"No, no, just continue you two" sagte sie ihm. In sein fragendes Gesicht küsste Annie und bedeutete ihm "We are the sweet lovers and she is the cool one. we make her hot. you see.".
Wie immer begannen sie mit einer Art Rollenspiel, in dem die eine mit ihrer Eroberung schon anfing und die andere betont kühl zu sah.
So setzte sich Lisa zu den beiden auf das Sofa, legte ihr rechtes Bein über die Lehne und schaute in die aufgeklappte Zeitung auf. Annies Hand glitt unter ihren Slip. In der Zeitung waren zwei Frauen und ein Mann abgebildet. Anscheinend hatte der Mann die Frauen vergewaltigt. Jedenfalls stand etwas von 'Rape' in der Überschrift. Als der junge Mann an ihren Slip zog, nahm sie ihr Bein herunter und ließ den jungen Mann ihre Lippen frei legen.
Später setzte sie sich auf sein Gesicht und forderte seine Zunge. Dabei las sie den Artikel genauer. Unter dem Bild des Mannes stand etwas von 'victim'. 'Teacher' stand jeweils unter den Bildern der Frauen. Es waren die Lehrerinnen, die ihren Schüler in die Sexualität eingeführt hatten. Die Tatsache, dass es sich um einen Minderjährigen handelte, fanden die Amis nicht so toll. Wie prüde! dachte sie, als sie kam.
Sie schaute befriedigt auf ihr Spielzeug herunter. Wie alt war er eigentlich?
"Lets make some bondage games" schlug sie vor.

Freitag, 29. April 2016

Der blaue Faden

"Hallo" sagte sie leise zu dem bleichen Gesicht, das vor ihr auftauchte.
Es antwortete nicht. Dafür lachten ihre Freundinnen, Bijula rief: "Njajala, will wieder Gespenster suchen"
"Gespenster gibt eigentlich nur in der Nacht, aber das hier ..." Es war weg. Sie ging noch ein paar Schritte mit der Mädchengruppe weiter, dann blieb sie stehen. Sie musste ihre Erscheinung genauer anschauen. "Geht nur schon vor, ich komme dann nach."
"Mach was Du willst. Lass Dir halt eine gute Geschichte einfallen, wenn Du nicht mit uns beim Fluss bist"
Sie ging die Schritte wieder zurück, atmete ein und dachte hinter der Stirn 'Gesicht, Gesicht, ich habe Dich gesehen'
Das bleiche Gesicht erschien wieder und in ihrem Kopf formte sich 'Scheiße'.
Sie musste lachen. Das Gesicht zog die Augenbrauen zusammen.
'Was soll Scheiße sein?' dachte sie hinter ihrer Stirn.
'Du bist nicht echt!' formte sich in ihrem Kopf, dann bewegten sich die Lippen des Gesichts. Das Gesicht bewegte sich von ihr weg.
'Bleib doch! Wir reden ohne Lippen. Mit Worten hinter der Stirn, weißt Du das denn nicht?' dachte sie.
Sie sah es wieder. Nun war es ganz deutlich zu sehen.
'Ok, Also ich habe nun eine Vision, mit der ich durch Wörter, die ich hinter meiner Stirn forme ...'
'Genau so ist es. Toll nicht wahr? Meine Oma hat mir davon erzählt.'
'Bitte? Warum bilde ich mir ein schwarzes, kleines Rastamädchen mit Oma ein?'
'Was meinst Du mit bilde ... ein?'
'Das ist eine Erbkrankheit. Meine Tante hat das auch. Da macht dann einfach ... Ich erkläre meiner Einbildung, das sie eine Einbildung ist ... Ich bin total verrückt drauf ... Also die Tante Marianne hatte ja Lähmungserscheinungen bei ihren Anfällen ... Bei mir ist nichts gelähmt, oder ...Wie stelle ich das nun fest ...'
'Ich bin keine Einbildung' sie stampfte mit dem Fuß auf.
'Ach nee' Der junge Mann war ganz deutlich zu sehen. Er hatte seltsam helle Haut. Seine Kleidung war seltsam. Die Hose war ganz lang und aus dickem, blauen Stoff. Seine Sandalen waren oben ganz zusammen gebunden. Sie schaute wieder von unten nach oben und blieb bei seinen blauen Augen hängen.
'Du wärst genau richtig für meinen Erstling. Was kann ich für Dich tun?' fasste sie ihren Eindruck zusammen.

Freitag, 22. April 2016

Männersache

"Und? Schon wieder fit?"
"Aber immer, Du kennst mich doch."
"Als ich ging, warst Du ziemlich dicht. Verträgst Du soviel? Sollte ich mir Sorgen machen?"
"Tja" sie antwortete nicht direkt, sondern neigte ihren Kopf nach rechts und drehte ganz gedankenverloren eines ihrer blonden Löckchen mit dem rechten Zeigefinger. Ihre Augenlider sanken ein wenig herab und dann säuselte sie: "Ey, ist das alles toll hier. Du bist auch toll?" Sie griff nach der Freundin. Diese musste lachen:
"Schauspielerin. Sorry. Habe ich doch ganz vergessen. War es denn erfolgreich?"
Auf den fragenden Blick der Freundin erzählte sie: "Ich gehöre nun dazu. Mit allen wichtigen Leuten habe ich Selfies gemacht. Heute Abend noch einmal drüber schauen und dann landen die auf meinem Profil."
"Kann ich schon mal sehen? Die haben das mit sich machen lassen?"
"Als die abgefüllt waren, war das alles kein Problem mehr. Vermutlich meinen die, dass man dann ja selber auch doof dasteht. Aber heute Abend filter ich die für mich nicht peinlichen, aber dann doch wichtigen aus. Und dann noch ein wenig Text und Anekdote dazu und schon bin ich dabei."
"Lass mal sehen! Bitte!"
Sie gab ihrer Freundin das Smartphone und beobachtet, wie diese die Bilder würdigte. Bei den meisten genügte ein kurzer Blick und es ging weiter. Aber es waren wohl auch richtige Hingucker dabei. Dann grinste sie zu dem 'Ui' oder 'Was der auch'. Zum Schluss gab es aber noch eine Überraschung.
"Da ist ja noch ein Video, ganz zum Schluss. Was hast Du denn da gefilmt?"
"Gefilmt? Nee."
"Schau mal" die Freundin hielt ihr das Smartphone hin.

Freitag, 15. April 2016

Die Brieftaube

Neben ihr schnaufte niemand. Es war nur ein ganz ruhiges, leises Ein- und Ausatmen zu vernehmen. Mit Dennis schlief es sich einfach besser. Hatte also doch Vorteile, ohne Mann zu schlafen. Am Fenster graute es schon. Es war noch ein wenig Zeit. Sie drehte sich um und schlief wieder ein.
Das Telefon klingelte. Das war nicht das Klingeln vom Wecker. Mist! Sie hatte den Wecker gar nicht gestellt.
"Morgen, Mist"
"Hallo Liebes, ihr seid ..."
"Bin noch im Bett, habe nun keine Zeit. Scheisse!"
"Ich .. Ich melde mich dann am Abend noch einmal und erzähl wie es läuft. Ich habe Dich lieb!"
"Ja, ich dich auch"
Warum hatte sie eigentlich nicht 'Du mich auch?' gesagt? Kopfschüttelnd lachte sie den Hörer auf den Nachttisch an und weckte dann das Monster.
"Aufstehen, Mach schon"
"Morgen Mami. Ich habe ganz toll geschlafen. Und geträumt habe ich ..." Dennis war sofort wach und fröhlich. Geradezu aufdringlich fröhlich. Womit hatte sie das nur verdient?
"Kein Frühstück? Brezeln? Vom Bahnhof? Toll!" Die Änderung im normalen Tagesablauf machten ihm nichts aus. In solchen Momenten zweifelte sie, ob er wirklich der Sohn ihres Mannes war. Er war doch mehr nach ihr.

Freitag, 8. April 2016

Der schwarze Hut

Den schwarzen, kleinen Hut oder die grauen Baskenmütze? Er war unschlüssig, welche Kopfbedeckung besser passen würde. Immerhin ging es ja um die letzte und damit wichtigste Prüfung seiner Ausbildung. Die graue Baskenmütze probierte er als erstes aus. Sie war eine Erinnerung an vergessene Zeiten, als er noch einen Walrossbart trug. Der prüfende Blick im Spiegel machte ihm klar, das ging gar nicht mit dem gepflegten, schwarzen Vollbart. Dann also doch der schwarze Hut! Hier sah der Pferdeschwanz gar nicht passend aus.
"Mit einer rasierte Glatze, wenn schon Vollbart" erkannte auch Sabine, seine Mitbewohnerin, die im Bademantel aus dem Badezimmer kam.
"Da habe ich noch etwas, schau mal" entgegnete er und winkte mit einem Tottenham Fanschal. "Habe ich vom Abiturausflug nach England mitgebracht. Das wird ein richtiger Hingucker, meinst Du nicht? Das Farbmuster von Tottenham kennt hier keiner, ist aber Fußball und Pferdeschwanz passt genau so wenig zu schwarzem Hut." grinste er.
Seine Mitbewohnerin nickte zustimmend, gab ihm zum Abschied weder einen Kuss auf die Wange und noch einen auf dem Mund. Auch umarmte sie ihn nicht. Sie gab ihm einen Klaps auf den Hintern als er zur Tür herausging.
"Du schaffst das schon" rief sie ihm hinterher.

Freitag, 1. April 2016

Für immer jung

"Hier ist Rittmeister-Müller, wir wollten uns am Bahnhof treffen" sagte die rauchige Stimme am Telefon.
"Ja?"
"Also ich bin auf dem Weg, aber leider habe ich die Bahn nicht bekommen, weil ich noch eine Fahrkarte .."
"Macht nichts, die fahren doch alle 10 Minuten. Da machen wir uns doch keine Sorgen, das bekommen wir schon hin".
Er steckte sein Handy in die Innentasche seiner Jacke. Es war ein modisch schwarz-weiß karierter Blouson mit Kapuze. Stolz betrachtete er sein Outfit im Fenster des Stehcafes. Ein guter Kauf war diese Mischung aus bequemer Jacke und rebellischem Hoodie. Was machte er nicht alles, für einen professionellen, guten Eindruck beim Kunden!
In den 10 Minuten hieß es entspannen und sich mental vorbereiten. Er konnte sich ja in die Lieblingsmusik des Auftraggebers einhören. Aus den Ohrhörern flötete eine Frauenstimme "Lass sie tanzen" in sein Ohr. Danach rappte eine Männerstimme ganz schnell etwas Unverständliches. Dann wieder die Frau. Das gefiel ihm. Das war ja so ein richtiges Schwarz und Weiß. Aber was textete der Rapper da eigentlich? Gangsta Rap oder etwa nicht? Pistole und Überfall und Schießen. Er musste grinsen, als ihm bewusst wurde, dass es nicht um Tanzen in einem Club ging, sondern eher von Geiseln oder Gefangenen, die hoch hüpfen, wenn der Böse mit der Pistole in den Boden schießt. Das war so etwas wie Bonny und Clyde. Wer schoss da eigentlich? Es musste Clyde gewesen sein, der da schoss, weil Bonnie doch wohl eher ein Frauenname war. Wenn der Kunde es martialisch mochte, könnte er den Künstler als "Rittmeister Müller" vorstellen. Mit einem Eisbrecher Witz am Anfang hatte er immer gute Erfahrungen gemacht.

Freitag, 25. März 2016

Schwarz

"Guten Morgen" sagte Moritz zu dem Mann, der am Bahnsteig direkt vor der Tür des Aufzugs stand. Dieser blickte ihn entsetzt an, holte dann aber Luft und erwiderte ein "Guten Morgen". Zwischen seinen Augenbrauen hatte er eine Falte. Es war keine freundliche Rückgabe des Grußes.
Moritz sah das im Vorbeigehen, dachte aber erst darüber nach, als weiter hinten auf den Bahnsteig stand und auf die Bahn wartete. Er lächelte zu dem anderen Mann zurück, aber dieser schaute nur in Richtung Tunnel. Was war das denn? Am ersten Tag wollte er einen guten Eindruck machen und gut gelaunt in der Klinik aufschlagen. Also hatte er sich vorgenommen andere Menschen zu grüßen. Es gab doch ein altes Sprichwort das sagte, "wie man hineinruft, so schallt es heraus". Und was wäre da besser geeignet als "guter Morgen"? Oder auch "guten Tag". Das war doch die Kurzform vom "Ich wünsche Dir einen guten Morgen". Genau das, was er allen Menschen immer wünschte. Er wusste, dass in Süddeutschland auch "Grüß Gott" gesagt werden konnte. Aber das klang zum einen so richtig religiös und hatte für ihn noch diese Nebenbedeutung von "Grüß Gott, ich schick Dich hin". Sein Vater war richtig sauer, als er ihn darauf hinwies. Bei dem Gedanken daran, musste Moritz grinsen. Als die U-Bahn kam, hatte er beschlossen, das das bestimmt nur ein Griesgram war, der schlecht geschlafen hatte.

Freitag, 18. März 2016

Rubin

"Sehen wir uns heute Abend wieder?" fragte er leise.
"Warum?"
"Ach, Du. Komm schon. War doch toll und hat doch auch gut getan" grinste er.
Sie schaute nur über den Tisch und biss in ihr Milchhörnchen. Mit geschlossenem Mund kaute sie nachdenklich. Warum gefielen ihm eigentlich ihre Tränensäcke? Er zog seine Augenbrauen hoch und wartete.
"Schau Dich doch einmal an. Was sollte ich mit .. Warum habe ich nur?" schüttelte sie den Kopf. Im Spiegel des Schaufensters gegenüber betrachtete er sein Aussehen, obwohl das doch den Weibern immer egal war. Verändert hatte er sich jedenfalls nicht, die Haare schwarz und fettig, ein paar Stoppeln mehr im Gesicht.
"Ich bin doch gar nicht verändert" bemerkte er. Was hatte sie nur? Obwohl? Warum war er nur über Nacht geblieben? Vermutlich waren die Weiber am Morgen doch anders als am Abend vorher. Vielleicht haben die ja nicht nur ihre Tage, sondern auch ihre Stunden oder Tageszeiten?
"Ach nee. Gestern muss ich von Sinnen gewesen sein. Hast Du mir etwas ins Glas getan?" Ihre Mundwinkel setzten sich in zwei Furchen bis zur Unterkante des Kiefers fort. Wie schön sie doch war.
"So KO Tropfen? Nie." Er schüttelte ungläubig den Kopf. Die Weiber wurden auch ohne Chemie läufig, wenn er das wollte. Erklärend fügte er hinzu: "Du warst doch gar nicht KO. In der ganzen Nacht nicht, oder ..?" Seine braunen Zähne zeigten sich in seiner Grinse.
Sie schluckte ungläubig, schüttelte langsam den Kopf und sagte dann zu ihrem Milchhörnchen: "Ja, ja. Was hab ich da nur." Das Hörnchen fand den Weg in den Kaffee, dann in ihren Mund. Kauend nickte sie, schluckte hinunter und beschloss dann: "Gut war's schon, aber so etwas wiederholen? So heute Abend? Nein, danke, vielleicht später mal, obwohl ich glaub ja nicht"

Freitag, 11. März 2016

Traumgesicht

Danach wollte er wieder mit den alten Vögeln abhängen. Motiviert waren seine Schritte. Zur Musik aus dem Kopfhörer wippte sein Kopf. An dem Abend war Internet und Web und Technik angesagt. Es hieß Web Abend. Das hörte sich zwar beruflich an, sollte es auch sein, war es aber in aller Regel nicht so richtig. Vor allem war es umsonst und es gab nach einer Stunde sogar etwas zum Essen. Immerhin traf man sich ja bei einer Steuerberatung, die etwas für das Image tun wollte. Das passte zu dem Stück mit dem gezinkten Karten, das aus dem Kopfhörer kam. Frank musste grinsen. Ja! Den guten Leuten ging es schlecht. Wie immer! Am Ende des Stücks trafen sich der Sänger mit seinen 100 Enkeln im Garten. Frank blieb kurz stehen und musste lachen. Das war doch gar nicht konsistent. Da wurde einer besungen, der in der weiten Welt ein Vermögen machte, zurückkam, eine schöne Frau heiratete und dann mit den Enkeln im Garten saß und mit seinen alten Vögeln feierte. Der müsste ja hundert werden, fiel ihm auf. Bei dem Gedanken beglückwünschte sich Frank. Ein wahrer Softwerker findet sogar Fehler in Hip-Hop Texten. Gut gelaunt setzte er seinen Weg fort.

Samstag, 5. März 2016

Mittwoch

Sie wollte eine Mittwochsfrau werden! Was war denn dabei? Als Nebenher Zeitvertreib wäre ihre Libido versorgt und ihre Freiheit gesichert. Natürlich ginge das nur, wenn es wirklich passte. Obwohl? Was bedeutete schon 'passen'? Eigentlich ginge es ja nur darum, festzustellen, ob er wirklich sauber und hygienisch genug war. Vor allem sollte er nicht stinken, schoss ihr bei der Kontrolle ihres Spiegelbilds durch den Kopf. Sie grinste bei dem Gedanken, zog eine Grimasse und wollte schon zur Tür hinaus, als ihr ihre rechte Hand auffiel. Da fehlte etwas. Als Ehefrau sollte sie einen einfachen Ring am Ringfinger haben. Es sollte zumindest eine Druckstelle zu sehen sein. Sie öffnete die Schublade des Dielenschränkchens und kramte von hinten das Kästchen mit den alten Erinnerungsstücken hervor. Da waren auch Ringe von diversen Verehrern dabei. Es fand sich tatsächlich einer, der auf ihren Ringfinger gedrückt werden konnte. Still schaute sie ihn an. Das war doch der Ring von dem Dings. Nein! Nicht von dem. Wieder lächelten ihre Lippen. Sie setzte doch ein Küsschen drauf und ging hinaus.
Auf den Weg ins Restaurant wechselten ihre Gefühle von Unsicherheit zu Zuversicht. Zum einen war das Treffen nicht das eine, sondern ja nur ein Versuchsballon, der auch schief gehen konnte. Zum anderen war es etwas, das sich dann doch so anfühlte, als wäre sie eine liegengebliebene, notgeile Frauen im mittleren Alter, die etwas für ihre Libido suchte. Das war zwar die Wahrheit, sollte aber verschwiegen werden. Bewusstes Verschweigen lag ihr aber nicht so. Die letzten Meter stellte sie sich den Jungen vor, der ihr den Ring geschenkt hatte. Der wäre bestimmt richtig dick und langweilig geworden. Es war kein Wunder, dass sie etwas frisches und aufregendes suchte!

Freitag, 26. Februar 2016

Amerittini

Sie sollte unbedingt zum Frisör! Das Gesicht im Spiegel war ihr zwar bekannt, aber zeigte nicht die Frau, die sie sein wollte. Irgendetwas sollte geändert werden. Langsam öffnete sie ihren Pferdeschwanz, schüttelte den Kopf und musterte sich erneut. Ihre glatten Haare fielen einfach nicht richtig. Für eine richtig, weibliche Umrahmung waren sie auch einfach zu dünn. Geföhnt würde es ja gehen, aber das kostete wieder und dauerte vor allem. Sie müssten aus dem Gesicht nach hinten, aber nicht so streng zusammengebunden, wie mit diesem blöden Pferdeschwanz. Damit wirkte sie wie ein Mannweib. Wenn sie die beiden Strähnen links und rechts nach hinten nähme? Mit ihrer rechten Hand hielt sie die Strähnen hinter ihrem Schopf zusammen. Sie wandte sich nach rechts und kontrollierte ihr Profil mit dem linken Auge. Ihr Kopf wiegte sich. Das war schlicht, aber kein richtiger Hingucker. Schnell flocht sie sich zwei Zöpfe aus den Strähnen und hielt dann diese zusammen. Diesmal nickte ihr Kopf. Das hatte etwas bestimmendes, aber auch ordentlich weibliches, obwohl die Zöpfe zu streng verliefen. Ein wenig hielt sie die Zöpfe lockerer, so dass sie sich nicht direkt am Hinterkopf, sondern ein wenig darunter trafen. Sie lächelte und dann hoben sich ihre Augenbrauen. Sie nahm die beiden Zöpfe zusammen über den Kopf nach vorne. Dann öffnete sie diese und verflochtete sie zu einem Zopf. Sie konnte diesen wieder nach hinten nehmen. Ihre Haare waren aus dem Gesicht und hatten mit dem gemeinsamen Zopf hinten einen Hingucker. Auch ohne Partner hatte sie das hinbekommen. Noch einmal schaute sie in den Spiegel und sah sich als Bogenschützin in diesem Tribute Film. Die, die die Männer erlegte. Bei dem Gedanken grinste sie. Sie würde einen Mann ja nicht erschießen, sondern eher nur so ein wenig demütigen.

Freitag, 19. Februar 2016

Der Schwur

"Stecken Sie das Handy ein, keine Fotos hier!" Igor konnte das angekündigte Selfie mit ihm vor dem Gericht nicht machen. Enttäuscht stopfte er es in seine Tasche. Der Vorsitzende schüttelte den Kopf. Igor schaute an die Decke. Was sollte er eigentlich hier? Die beiden Schläger haben doch gestanden und es gab ja sogar ein Video. Ein Foto kurz posten, das wäre schon was gewesen.
"Können wir dann?" fragte er laut in die Stille.
"Sie reden, wenn Sie gefragt werden. Respektloses Benehmen kann eine Geldstrafe nach sich ziehen. Und das meine ich Ernst!" ermahnte ihn der Vorsitzende. Igor schluckte und schaute grimmig. Aber er hielt sich zurück.
Der Saal wartete geduldig noch ein paar Minuten, bis sich die Tür öffnete und eine Frau in einem Rollstuhl hinein geschoben wurde.
"Sie sind die Frau Vladic?"
Die Frau nickte und der Gerichtstag konnte anfangen. Der Vorsitzende erklärte den Zeugen, was sie vor Gericht erwartete. Igor versuchte der langweiligen Stimme zu folgen, dann konzentrierte er sich auf die Haltung des Vorsitzenden. Er wollte nicht gähnen, sondern Respekt zeigen. Immerhin war ja Strafe angedroht. Außerdem hatte er schon genug Filme mit Gerichtsverhandlungen gesehen. Als das Thema auf das Schwören kam, wunderte er sich. Im Film wurde immer am Anfang geschworen. Es war hier anders. Er schluckte und versuchte zu verstehen, was der Vorsitzende meinte. Es war etwas mit nicht verfälschen oder verschweigen.

Freitag, 12. Februar 2016

Ali

Sollte er die Ecken seines Barts nach oben zwirbeln oder doch lieber so stumpf lassen? Er probierte es mit der rechten Ecke einmal aus und schaute sein Spiegelbild in der U-Bahntür an. Nein! Schnell wischte er den Bart wieder stumpf. Wenn er nun noch die Brauen düster zusammenzog, hätte er genau den wilden und brutalen ersten Eindruck, den er machen wollte. In den nächsten Monate sollte er den Wadenbeisser machen und die Beteiligung seines Onkels sicherstellen. Zwei Schnecken wären auch dabei. Die jüngere wäre noch zu pflücken. Er grinste, als er sich bei diesem Gedanken den Sack jucken musste. Seine Mundwinkel zogen sich nach oben und die Furche zwischen den Augenbrauen verschwand. Nein! Das war nicht der Eindruck, den er machen wollte. Er kniff die Lippen zusammen und stopfte seine Hände in die Sackotaschen. So war sein Gesicht wieder brutal ernst und als die U-Bahn hielt, stieg betont langsam ein zu fürchtender Schläger aus.

Freitag, 5. Februar 2016

Das Gegenstück

Sein Gegenstück begegnete ihm an einem Montagmorgen. Als er auf den Bahnsteig lief, schlossen sich die Türen der U-Bahn. Er wusste, dass der Fahrer nichts mehr machen konnte. Die Bahn war weg. Enttäuscht sah er sich um und stellte fest, dass er ganz alleine auf dem Bahnsteig war. Nun galt es fünf Minuten zu warten. Ein wenig lief er den Bahnsteig hinauf und hinunter. Vor der verspiegelten Tür des Aufzugs fand er sich wieder. So richtig genau konnte er sich darin zwar nicht sehen. Aber zum einen schaute er sich immer gerne an und die kleine Locke über dem rechten Ohr, die so richtig keck abstehen sollte, wollte einfach kontrolliert werden. Soweit er erkennen konnte, war alles in Ordnung. Er grinste sein Spiegelbild an, als sich die Tür öffnete. Eine junge Frau mit langen, blonden Haaren war in der Kabine. Ihre Augen hätten sich treffen können, aber er machte schnell einen Schritt zurück, drehte sich zur Seite und schaute, ob die Bahn nicht schon kam. Gerne hätte er die Frau genauer angeschaut, aber Frauen waren für einen Mann, wie er einer sein wollte, eben keine Objekte zum betrachten und zum bewerten. So machte er noch einen kleinen Schritt zur Seite in Richtung Bahngleis. Er bemerkte, dass sie ihn betrachtete. Das Gefühl von einer vielleicht sogar recht attraktiven Frau seines Alters gemustert zu werden, gefiel ihm. Bestimmt war es der hübsche Schal mit den großen Maschen, der ihre Aufmerksamkeit fand. Wie lange hatte er dafür gebraucht, einen solchen zu finden, der einen ähnlichen Braunton hat, wie seine Sneaker und seine Umhängetasche. Erst am Samstagnachmittag war es soweit. Er lächelte bei dem Gedanken. Aus irgendeinem Grund musste er seinen Kopf bewegt haben. Jedenfalls trafen sich ihre Augen. Sie erwiderte sein Lächeln. Ihre Augen hatten eine interessante grau-blaue Farbe.

Freitag, 29. Januar 2016

Der Schrei

Was sollte seiner Tochter auf dem Weg zur Schule passieren? Er drückte ihre Hand ein wenig fester und schaute nach rechts. Sie schaute mürrisch zurück. Wie groß sie schon war! Er nahm die Wölbung an ihrer Brust wahr und schaute schnell wieder auf die Treppenstufen. Sie ist noch ein Kind! sagte er sich. Und deswegen war das schon vollkommen in Ordnung, wenn er sie, zumal in diesen Zeiten, zur S-Bahn Station brachte.
"Papa" flehte sie und blieb vor den oberen Stufen stehen.
Fragend sah er sie an.
"Gib mir den Ranzen" sie griff nach dem bunten, für ihre schmalen Schultern viel zu schweren Schulranzen, den er für sie trug.
"Aber ..." da hatte sie ihn schon auf ihrem Rücken und nahm die letzten Stufen zu den Gleisen.
Ihm blieb nur hinterher zu laufen. Sie traf sich mit ihren Schulfreundinnen. Ihn kannte sie nicht mehr. Mit zur Schule wollte er dann doch nicht fahren. Was sollte ihr schon passieren? fragte er sich.

Freitag, 22. Januar 2016

Plan B

So langsam bekam sie kalte Füße. Nicht die kalten Füße, die sie an einem Wintertag verspürte, wenn sie nicht gefütterte Stiefelchen trug. Auch nicht die kalten Füße, die sie manchmal unter der Bettdecke verspürte. Es waren die kalten Füße, die sie bekam, wenn es um eine Entscheidung ging, die einen so großen Gewinn versprach, dass sie eigentlich zustimmen muss und nicht ablehnen kann. Eine Entscheidung über die sie nicht selbst die Kontrolle hat. Unwillkürlich ging sie langsamer. Sie sollte ihn eher kühl verabschieden, entschied sie. Zur Bestätigung nickte sie mit dem Kopf, stampfte mit dem rechten Fuß auf und ging dann wieder schneller weiter. Ein Herzschmerz Abschied mit langen, traurigen Blicken sollte es nicht geben. Eher ein fröhlicher Abschied mit Ausblick auf bindungslose Zwischenzeit. Und wenn, ja wenn, nach einem Trennungsjahr ihre Herzen immer noch im Gleichklang schlagen würden, ja dann. Ihr Smartphone tönte den Empfang einer Nachricht.