Donnerstag, 26. März 2015

Leningrad Cowboys


Das Hinterhaus in der Nazarethkirchstrasse 173 im Wedding war es. Dort wohnte er im obersten Geschoss. Tänzelnd überquerte Lena den Leopoldplatz. Sie genoss die erste Sonne des jungen Frühjahrs. Rolf den Altpunker, der die Bewirtung im Nachbarschaftszentrum organisierte, wollte sie bewegen, doch auch die Bewirtung zum Afrikafest zu übernehmen. Zwar hätte sie das auch im Zentrum klären können, aber sie wollte wissen, in welcher WG Rolf war. Ihre eigene war schon langweilig und im Frühjahr suchen die Vögel auch immer ein neues Nest. Und Rolf war bestimmt solo, so hart wie der mit ihr und anderen rummachte. Erstaunt musterte sie die Nazarethkirchstrasse 173. Es sah so frisch gestrichen aus. Und der Durchgang zum Hinterhaus war blank geputzt. Aber im Innenhof lagen einige Müllsäcke herum. Die Tür zum Hinterhaus war offen und so drückte sie die dritte Klingel von oben beim Betreten des Treppenhauses. Ihre Rastalocken wippten die ersten zwei Stockwerke. Dort verschnaufte sie kurz und setzte ihren Aufstieg deutlich langsamer fort. Oben grinste Rolf, als sie die letzten Stufen nahm. "Gratulation und die Schuhe bitte ausziehen", war ihre Begrüßung.

Freitag, 20. März 2015

Der frühe Vogel

Da stand sie nun mit ihrem feinen, kurzen, schwarzen Cocktailkleidchen in mitten der vielen Leute. Sie nippte ein wenig an dem Champagner und suchte ein bekanntes Gesicht. Kurz winkte sie Sylvia zu, die die Idee zu diesem Besuch hatte. Sie wollte schon zu ihr hingehen, deutete aber Sylvias Gesichtsausdruck als Frage, was das denn sollte. Es ging ja nicht darum gemeinsam hier zu sein, sondern eben getrennt. So könnte jede versuchen, hier den richtigen Mann zu treffen. Zu zweit würden sie sich nur stören. Tatsächlich waren neben Paaren auch Männer ohne offensichtlich weiblicher Begleitung bei dieser Vernissage der ersten Ausstellung in der renovierten Fabrikhalle der Roth AG. Absolventen der Kunsthochschule stellten ihre Werke aus. In kleinen Nischen hatten sie ihre Exponate angeordnet. Durch die geschickte Beleuchtung wirkten diese gerade auch durch den Kontrast mit den unverputzten Backsteinwänden. Hier sollten sich neben wirklich an Kunst interessierten Besucher vor allem Familienangehörige der Absolventen anzutreffen sein. Und das wären dann eben Kreise, die ihrem Nachwuchs ein Kunststudium finanzieren. Falls hier der "Richtige" wäre, hätte er bestimmt auch das richtige Elternhaus. Sie wusste nicht so genau, ob sie die richtige für so etwas wäre, aber angefangen ist angefangen! Nachdem sie sich zunächst verloren vorkam, entdeckte sie in einer Nische mit großformatigen eher abstrakten Bildern vier gut gekleidete Männer im richtigen Alter. Neugierig ging sie hinüber.

Freitag, 13. März 2015

Blaumann

Die Sonne war schon lange aufgegangen als sie interessiert das Gesicht neben sich betrachtete. Über Nacht hatte er graue Stoppeln bekommen. Sie zog die Augenbrauen zusammen und schlüpfte leise aus dem Bett. Mit Handtasche und ihrem Slip ging sie ins Badezimmer. Nach einem kurzen Aufenthalt auf der Toilette betrachtete sie ihr Gesicht im Spiegel. Ein breites Lächeln erschien auf ihrem Gesicht bevor sich der Mund öffnete und den Blick auf ihre Schneidezähne freigab. "Miau!", sie machte eine Katze. Aus ihrer Handtasche holte sie das Etui mit den Kontaktlinsen. In das rechte, freie Fach legte sie die Kontaktlinsen mit den Katzenaugen. Dann duschte sie ausgiebig bevor sie wieder ihr Gesicht im Spiegel betrachtet. Zuerst probierte sie die grünen Linsen. Sie atmete aus und betrachtete sich nachdenklich im Spiegel. Kopfschüttelnd tauschte sie gegen die blauen. Wieder atmete sie aus, aber diesmal stimmte es. Sie nickte sich zu und verstaute das Etui in ihrer Handtasche. Zurück im Zimmer zog sie sich geschwind an, warf einen kurzen Blick auf den immer noch schlafenden Mann und wollte hinaus. Auf dem Tisch bemerkte sie einen 50€ Schein. Sie nahm ihn hoch, schaute ihn an, schaute zu dem Mann und steckte ihn ein, bevor sie durch die Tür verschwand.

Freitag, 6. März 2015

Der Held

Tatsächlich, Elvira würde das letzte Kapitel schaffen, bis zum Schluss der Fahrt! Es waren ja nur noch zwei Seiten und sie hatte noch eine Stunde bis Gelsenkirchen. Selbstverständlich kann sie auch schneller lesen, aber, wenn sie ein Buch zum zweiten oder auch dritten Mal liest, dann nimmt sie sich die Zeit auf Formulierungen und Redewendungen zu achten. Den Inhalt kennt sie ja schon. So stoppte sie auch, als sie las, dass der Clan in einem Tal "dwelt". Sie schmunzelte bei diesem Wort, das es so ähnlich im Althochdeutschen gibt und das mit den Angeln und Sachsen nach England kam. Es drückt die Weile im wohnen und siedeln mit aus. Der Clan ist dort eben seit ein paar Generationen und könnte weiterziehen. Sie meditierte ein wenig und las dann weiter. Es ging in dem Buch um einen Helden, der eben diesen Clan verteidigt und nun zurückkehrt. Auf der letzten Seite wird beschrieben, dass er seine Liebsten unbeschadet antrifft. An dieser Stelle schaute sie wieder aus dem Fenster und stellte fest, dass von allen Frauen in dem ganzen Buch sie sich in dieser Liebsten des Helden wiederfindet. Sie zog ihre Augenbrauen zusammen, las auch diese Seite zu Ende und fragte sich wen ihre Mutter wohl als Partner ausgesucht hatte.